Insassen in der Justizanstalt Graz Karlau haben – nach deutschem Vorbild – Ende letzten Jahres mit dem Aufbau einer Gefangenengewerkschaft begonnen. Das Justizministerium gibt jetzt aber bekannt, dass sie dafür keine gesetzliche Grundlage sehen. Von gewerkschaftlicher Seite läßt man sich nicht unterkriegen und argumentiert mit den österreichischen Grundrechten.
Die Sektion Österreich der deutschen Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) macht sich für eine Auszahlung des Mindestlohns, eine Einzahlung in Vorsorgekassen für die Pension und die Aufhebung der Arbeitspflicht stark – alles Sachen, die den Gefangenen bisher nicht zustehen. Es geht also darum, sich gegen dieses “staatlich geförderte Lohndumping” zu stellen, so der Sprecher der GG/BO, Oliver Rast. Er ist einer der GG/BO-Gründer, die im Mai 2014 in der JVA Tegel in Berlin gestartet ist. Seit dem Ende seiner Haftzeit ist Rast Sprecher der Gewerkschaft.
Hier erklärt er, wie es zur Gründung in Deutschland gekommen war. Auch Marlies sprach bereits für VON UNTEN mit Oliver Rast:
Deutsche Kritik an Rentenversicherung. Ähnliche Situation in Österreich.
“Der durch die fehlende Rentenversicherung entstehende Schaden für die Gefangenen kommt einer Doppelbestrafung gleich. So werden sie nach Absitzen der Haftstrafe durch verminderte oder fehlende Rentenansprüche noch einmal sanktioniert und schlimmstenfalls faktisch zur Altersarmut verurteilt«, erklärt Oliver Rast gegenüber »neues deutschland” (Online-Abo Zugang). Schon seit 40 Jahren wird diese Problematik im deutschen Nachbarland diskutiert und immer wieder aufgerollt. Die Forderung nach einer Rentenversicherung für ehemalige Strafgefangene ist daher nicht neu. Ein Beitrag des Journalisten Peter Nowak vom Juni 2015 dazu beschreibt bisherige Diskussionen.
Auch in Österreich sehen sich die ehemaligen Strafgefangenen mit ähnlichen Situationen konfrontiert: Nach ihrer Entlassung sind diese armutsgefährdet, was ihre allseits geforderte Resozialisierung erheblich erschwert. Josef Stingl, Bundesvorsitzender des Gewerkschaftlichen Linksblock (GLB) im ÖGB, sagt dazu: “Ich halte es für sozial grob fahrlässig, dass das Pensionsrecht bei Strafgefangenen nicht berücksichtigt wird.” Im Gegensatz dazu beruft sich das Justizministerium durch Britta Tichy-Martin auf bisherige rechtliche Entscheidungsfindungen und sagt, dass der EGMR zur Pensionsvericherung im Jahre 2011 mit Urteil festgestellt habe, dass Österreich durch die Nichteinbeziehung von Strafgefangenen in das System der staatlichen Pensionsversicherung den in diesem Bereich bestehenden Ermessensspielraum nicht überschritten habe. Es liege daher keine Verletzung des Diskriminierungsverbotes in Bezug auf das Eigentumsrecht ( Art. 14 EMRK iVm Art.1 des I. ZPEMRK) vor. Weiters stellte der Gerichtshof fest, dass auch keine Verletzung des Verbots der Zwangsarbeit (Art. 4 EMRK) vorliege. Kein Grund für das Justizministerium, sich aufzuregen.
Justizanstalt Graz-Karlau, Quelle: Von Unten-Redaktion
Unverschämte Entlohnung bei Arbeitszwang.
Insassen im Strafvollzug haben Arbeitspflicht. “Die Beschäftigung von Insassen ist ein wichtiger Teil der Resozialisierung. Insassen sollen dabei auch Fähigkeiten und Abläufe erlernen, die sie für ein Leben nach der Haft wieder fit machen”, so das Justizministerium. In Österreichs Gefängnissen verdient man je nach Tätigkeit vier bis sechs Euro pro Stunde wovon jedoch 75 Prozent für die „Unterbringung“ abgezogen werden. Somit bleibt kaum ein Euro Stundenlohn übrig. Sämtliche Modalitäten der Arbeitserbringung (Arbeitspflicht, Arbeitsbeschaffung, Arbeitszuweisung, Berufsausbildung, Arbeitseinrichtungen, Arbeitszeit und Arbeitsleistung, Arbeitsertrag und Arbeitsvergütung, Höhe der Arbeitsvergütung) ebenso wie etwa auch die Unfallfürsorge sind gesetzlich geregelt (Siehe dazu §§ 44 bis 55 und 76 und 77 StVG (Strafvollzugsgesetz). Laut Tichy-Martin sei eine Gewerkschaft zwar eine Vereinigung zur Vertretung der Interessen von Arbeitnehmer/innen. Im Falle der Gefangenen sei dieses “klassische Dienstnehmer-Dienstgeber-Verhältnis jedoch nicht gegeben”.
Justizministerium: “Grundlage für gewerkschaftliches Handeln fehlt”
Das Justizministerium sieht also keinen Verhandlungsspielraum im Bereich dieser gewerkschaftlichen Forderungen. Allfällige Änderungen wären immer nur über eine Gesetzesänderungen möglich. Es bestehe daher keine Grundlage für ein gewerkschaftliches Handeln, was jedoch seitens GG/BO anders gesehen wird: “Diese Stellungnahme (Anm.: seitens des Justizministeriums) bedeutet kein Ende der GG/BO in Österreich, da man sich lediglich auf das Österreichische Strafvollzugsgesetz bezieht. Dass darin eine Organisierung von Inhaftierten nicht vorgesehen ist, überrascht kaum.” Für die GG/BO bzw. eine gewerkschaftspolitische Organisierung (in der Haft) seien in erster Linie Paragraphen des Verfassungsrechts und des europäischen Rechts entscheidend. Hierauf berufe sie sich, analog zu Deutschland.
Marlies hat folgenden Beitrag für Von Unten” gestaltet:
Weitere Links zum Thema:
-
Meldung des GG/BO “Erste GG/BO-Sektion in einem Frauenknast”
-
ORF-Artikel “Karlau-Häftling nähte sich Mund zu”
-
Infoblatt des Anarchist Black Cross Berlin zu “Wie schreibe ich Gefangenen?”