Interview mit dem Gefangenengewerkschafter Georg Huss

Insgesamt sieben Jahre seines Lebens verbrachte Huss im Gefängnis. Zuletzt wurde er wegen Cannabisanbau in Österreich verurteilt und baute mit 2 weiteren Häftlingen die Sektion Österreich der deutschen Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) Ende letzten Jahres mit auf. Hier ist ein Interview, das Mitte März mit ihm geführt wurde. Es ist stark gekürzt und teilweise sinngemäß bearbeitet. 

Warum hast du mit deinen Kollegen in1280px-Karlau_DSCN7269 derJustizantsalt Graz Karlau eine Gefangenengewerkschaft gegründet?„Gewerkschaft“ ist ein unglücklicher Name, obwohl er auch wieder sehr gut passt. Gewerkschaften kümmern sich um alle Belange ihrer Mitglieder, nicht nur um die Arbeit. In der Sektion Österreich geht es deshalb vor allem um die Gefangenenrechte.
Wir sind mit den Missständen und Gesetzesbrüchen seitens der Justiz nicht einvertsanden. Uns werden ganz normale Rechte, minimale Rechte wie Toilettartikel, ärztliche Versorgung oder Dolmetscher für die Ausländer verwehrt. Das sind Rechte, die jedem Bürger zustehen. Auf die Gesetze, d.h. wie die Anstalt mit uns umgeht, wird wenig geachtet. Deshalb haben wir, wie wir von den Bestrebungen in Deutschland gehört haben, zeitgleich eine Gefangenengewerkschaft gegründet. Wir beziehen uns nicht nur auf das Arbeitsrecht, sondern allgemein auf die Gefangenenrechte, und schauen, dass das eingehalten wird.Das heißt die Forderungen beziehen sich auf die allgemeinen Lebensbedingungen?

Ja, wir wollen, dass unsere Rechte nicht nur anerkannt werden, sondern sie auch gewährt bekommen. Es kann nicht sein, dass man in einer Sechs-Mann-Zelle gesperrt wird, die viel zu klein, zu dreckig ist und ich eigentlich Recht auf eine Einzel- bzw. Doppelzelle habe. Ich will da keine Ausreden hören. Die Justiz soll sich an die Gesetze halten! Deshalb sind das ja eigentlich keine Forderungen. Die Polizisten, die JVA-Beamten, die Richter sollen auch ihre Gesetze einhalten und achten statt selbstherrlich mit Bestechung, Rummogeln und Haftschleicherei zu agieren.

Auch bei der Entlasseng wirst du nicht resozialisiert, sondern arbeitslos, mittellos und obdachlos sein. Mit diesen Ansichten bin ich nicht allein.Wie sind die Arbeitsbedingungen?

Wir sind auf Abruf und der Willkühr der Beamten ausgesetzt. Teilweise ist gar nichts zu tun, da haben aber Beamte ihren Job rechtfertigen müssen und wir haben beispielsweise in St. Pölten tagelang die Tischlerwerkstatt rausgekehrt und täglich  feucht gewischt.

Wenn aber wiederum ein wichtiger Auftrag kam und kein Beamter da war, dann war der Auftrag auf einmal auch nicht mehr wichtig. Arbeiten ist sozusagen nur ein Alibi. Man hat dann auch nur für die gearbeiteten Tage Lohn bekommen. Teilweise wird man sehr ausgenutzt, die Gesundheits- oder Hygienebedigungen werden auch nicht immer eingehalten. Da werden Sachen abgeschliffen ohne Schutzmaske, Schutzkappen fehlen bei Maschinen und Strom liegt offen. In Haft ist vieles desolat, vor allem in den alten Anstalten wie der Karlau. Da wird scheinbar kein Geld sinnvoll investiert. 
Uns wird auch seit Jahren die Toilettartikel wie Zahnpasta, Toilettenpapier, Duschgel verwehrt für die wir teilweise sogar durch unsere Arbeit selbst bezahlen. Wir bekommen das einfach nicht, obwohl uns das zusteht. Das sollen wir durch unseren Hungerlohn selbst bezahlen. Auch wenn man einen Antrag schreibt, hat man da jeden Monat andere Regeln. Da kommt dann ein Beamter und schaut in deinem Schrank nach, ob du wirklich keines hast und du sowas brauchst. Dafür muss man rumstreiten und rumprozessieren. Schlussendlich muss man sich das dann unter der Hand besorgen.

Zwischen 70 und 130 Euro haben wir zur Verfügung zum Einkaufen für beispielsweise Tabak, Zucker oder Kaffee, was recht wenig ist. Die andere Hälfte wird für dich als Rücklage gespart und bei der Entlassung für den Neustart ins Leben ausgezahlt. Das ist wirklich nicht viel und ist wirklich nur dazu da, dass du nicht ganz ohne Geld auf der Straße dastehst. Gleichzeitig verdient die Anstalt mit unserer Arbeit.Du hast jetzt Arbeitsbedingungen, Hygiene, Unterkunft angesprochen. Wie ist das mit der ärtzlichen Versorgung?

Das kann ich nicht pauschalisieren. Ganz wichtig ist aber die Leute drogensüchtig mit Benzos, Schlaf- oder Beruhigungstabletten… zu machen. Die Leute sollen Ruhe geben, sodass nichts passiert. Wenn jemand größere Probleme, beispielsweise mit dem Herz, hat und zum CT muss, dann sträuben sie sich und machen keine Termine aus. Dann muss man ans Ministerium schreiben usw. Das sind alles Kosten und da versucht die Anstalt zu sparen, wo es nur geht.Du hast auch Widerstand geleistet und gegen die Bedingungen protestiert…

Ja, ich habe das gemacht, weil mir Korrespondenzen verboten wurden. Ich durfte nicht anrufen, Briefe wurden zurück gehalten oder später abgeschickt. Mir wurde quasi meine Sprache genommen, weil das für sie gefährlich ist. Ich sollte die Leute draußen nicht über die Bedingungen informieren. Medien sollten nicht berichten. Jeder Gefangene der aufmüpfig für seine Rechte kämpft, muss Repressionen erdulden. Durch die Gewerkschaft ist das schlimmer geworden. Zum Schluss hab‘ ich kaum mehr Post bekommen, wir durften einander nicht mehr sehen und ich kam in den „Bunker“ oder in die Gummizelle, einmal sogar ohne ärztliche Anweisung.

Als ich mir den Mund zugenäht hab, kam ich in die Gummizelle zur Beobachtung, weil ich mir was antun wolle, danach in die Psychiatrie, wo ich für gesund gehalten wurde. Dann kam ich nach Wien, quasi eine kleine Rundreise durch Österreich, und wieder zurück in eine Vier-Mann-Zelle. Da wollte ich nicht bleiben und so landete ich drei Tage lang nackt – mit so einem Arztleiberl – in der leeren Gummizelle. Dort bekam ich nicht mal genug Tee, durfte nicht duschen und ich wusste nicht mal wie lange das noch dauern würde.Gab es von den anderen Gefangenen Solidarität für deinen Protest?

Ja. Anfänglich war ich allein und viele haben gesagt, das bringt eh nix, du machst nur Wirbel und alles für uns schlechter – bis die Leute verstanden haben, was ich da überhaupt mache. Mir ist es egal obs mir schlechter geht. Mir ist wichtig, dass die Ausländer einen Dolmetscher haben und, dass uns unsere Rechte gewährt werden. Die Gefangenen wollen ja teilweise auch einfach nur ein zu Hause, das ich nicht in Frage stellen soll – noch dazu als Piefke. Viele Gefangene identifizieren sich so mit der Haft, dass sie gar nicht wollen, dass etwas aufgedeckt oder geändert wird. Da würde man ja verzweifeln.

Aber dann bekam ich recht viel Support. Wie diejenigen gemerkt haben, die drinnen was zu sagen hatten, was wir da machen, bekamen wir viel Support. Auch weil wir so einen guten Draht nach draußen hatten, haben uns viele Mitgefangene unterstützt.Du bist jetzt entlassen worden. Kam das für dich unerwartet?

Ja. Es war eine Überraschung, weil es von heute auf morgen aufkam. Es wurde gedrängt, dass ich den Antrag ausfülle und in zwei Wochen konnte ich schon weg. Ich konnte nur ganz sporadisch nach draußen telefonieren. Wie sollte ich da mein Leben organisieren?

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Wird die Gefangenengewerkschaft durch deine Entlassung, durch Maßnahmenvollzug und Verlegung behindert bzw. Repressionen ausgesetzt? Siehst du das so?
Auch wenn Leute entlassen werden wird die Gefangenengewerkschaft sich weiter organisieren. Ich sehe das so, dass wenn einer verlegt wird, er dann im neuen Gefängnis weiter organisieren kann. Ich, wo ich jetzt draußen bin, kann draußen die Netzwerke festigen und sagen, was wir in der Haft brauchen und wie es dort ist. Die wenigsten Helfer draußen haben Hafterfahrung. Also zuerst schaut es ganz schlimm aus, aber wenn man genauer hinschaut, sieht man die Möglichkeiten.Die Justiz hat ja wahrscheinlich nicht so weit gedacht.Die wollen ja Ruhe schaffen, Störenfriede loswerden und uns mundtot machen. Wir bauen aber gerade internationale Netzwerke auf.Hier die Gesamtsendung vom 30.3. mit einem aktuellen Beitrag zur Gefangenengewerkschaft:

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